Seit vielen Jahren sind in Hagen Einzelpersonen, vogelkundliche Verbände und Vereine aktiv, sie interessieren und engagieren sich in einer langen Tradition für Vogelkunde und Vogelschutz. Es erstaunt deshalb umso mehr, dass bis zum heutigen Tag keine umfassende Darstellung über Situation und Status der Vogelwelt (Avifauna) des Hagener Stadtgebietes veröffentlicht worden ist. Bislang wurden lediglich saisonale Meldungen in Form von ornithologischen Sammelberichten (OSB) sowie Darstellungen über Vorkommen und Bestand einzelner Brutvogelarten in Hagen oder Beiträge zu speziellen Beobachtungen und Themen veröffentlicht. Bestenfalls existierten auch Untersuchungen des Vogelarteninventars für vergleichsweise kleinräumige Bereiche, etwa für Naturschutzgebiete oder Betreuungsgebiete, deren Ergebnisse aber der Allgemeinheit nicht zugänglich waren. Es gab viele offene Fragen sowohl allgemeiner als auch spezieller Art:
- Welche Vogelarten sind eigentlich in Hagen die Wirtsvögel des Kuckucks?
- Welche und wie viele Vogelarten brüten eigentlich auf dem Hagener Stadtgebiet?
- Wie viele Brutpaare sind es bei den einzelnen Arten?
- Welche Arten sind in den letzten Jahrzehnten ausgestorben, welche neu hinzugekommen?
- Wie stellt sich die Bestandsentwicklung der einzelnen Brutvogelarten dar?
- Gibt es Arten, deren Bestand bedrohlich schwindet und die ganz zu verschwinden drohen?
- Was kann für die einzelnen Vogelarten getan werden, um ihnen in Hagen Lebensraum zu bieten?

Diese Wissenslücke zu schließen war Anlass zur Gründung einer "Arbeitsgemeinschaft Avifauna Hagen". Aufgrund einer Initiative von Dr. CHRISTOPH SCHÖNBERGER trafen sich erstmals 1996 Hagener Vogelkundler aus den drei Hagener Naturschutzverbänden Bund für Vogelschutz und Vogelkunde Herdecke und Hagen e. V., NABU-Hagen und BUNDKreisgruppe Hagen, um in den folgenden Jahren erstmalig eine Gesamtdarstellung der aktuellen Brutvogelarten und deren Bestand für das gesamte Hagener Stadtgebiet (eine Avifauna Hagen) und für einen begrenzten Zeitraum zu erstellen. Diese "Arbeitsgemeinschaft Avifauna" bestand aus den Kartierern, die Bestandserfassungen im Stadtgebiet vornahmen, den Autoren, die einzelne Vogelarten zu bearbeiten und zu beschreiben hatten und einigen wenigen weiteren Interessierten. Bei den monatlichen Treffen plante diese Gruppe unter Leitung von Dr. CHRISTOPH SCHÖNBERGER die Arbeitsweise und die grundlegenden Untersuchungen, um den Hagener Bürgern im Jahr 2000 eine "Avifauna 2000" vorlegen zu können. Nach einer schweren Erkrankung Dr. CHRISTOPH SCHÖNBERGERS kam das Projekt erstmals ins Stocken und wurde fortgesetzt, als im Jahr 2001 ANDREAS WELZEL diese Aufgabe übernahm, doch das hochgesteckte Ziel, ein Buch zu erstellen, war zunächst zu Gunsten einer Internet-Präsentation zurückgestellt. Doch mit Dr. CHRISTOPH SCHÖNBERGER fehlte die treibende Kraft, das Projekt kam nicht recht vorwärts und bereits 2004 schien es am Ende zu sein. Nach Abmeldung der wenig gelungenen Internet-Plattform im Jahr 2006 glaubte kaum noch einer daran, dass das Vorhaben einer Veröffentlichung noch verwirklicht werden konnte. Erst im Sommer 2007 traf sich die Arbeitsgruppe nach langer Zeit erstmals wieder, es sollte ein letzter Versuch sein, die bereits investierte Arbeit doch noch zu einem Abschluss zu bringen und die Ergebnisse in einem Buch zu veröffentlichen. Die Arbeiten zur Drucklegung des Buches übernahm ANDREAS WELZEL, unterstützt vor allem durch STEPHAN SALLERMANN.
Zu Beginn im Jahr 1996 lautete das Projekt sehr optimistisch "Avifauna 2000", nun sind mehr als zehn Jahre daraus geworden. Wohl alle Mitglieder dieser Gruppe hatten sowohl den Arbeitsumfang zur Erstellung des Buches als auch die Unabwägbarkeiten des Lebens unterschätzt, die das Projekt nicht nur ein Mal dem Scheitern nahe brachten.
Vogelkunde in HagenOrnithologie in Hagen ist im Kontext der Vogelschutzbewegung in NRW und Deutschland zu sehen, denn sie ist aus dieser Bewegung entstanden und mit ihr verbunden. Als wichtige Daten seien hier die Gründung des "Deutschen Vereins zum Schutz der Vögel" im Jahr 1875 und die des Bundes für Vogelschutz (BfV) im Jahr 1899 genannt. 1938 wurden alle Vereine im Rahmen der nationalsozialistischen "Gleichschaltung" aufgelöst bzw. dem Bund für Vogelschutz (BfV) gleichgeschaltet.
Bis zur vergleichsweise späten Gründung des ersten Hagener Vogelschutzvereines gab es nur wenige engagierte Einzelpersonen, die allenfalls in den o. g. überregionalen Verbänden organisiert waren. Zu nennen sind hier A. SCHÄFER, A. SCHÜCKING, G. RÖTTLER, E. JANZING, K.-L. ENSULEIT, G. BREMICKER und H.-J. HOFFMANN. Mit dem Bund für Vogelschutz und Vogelkunde Herdecke und Hagen und seiner Zeitschrift "Cinclus" entstand 1973 der erste und noch heute tätige Verein, der sich ausschließlich der Vogelkunde widmete. Der Geschichte der Avifaunistik und des Vogelschutzes in Hagen ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

In den 80er Jahren hatte die Naturschutzbewegung in Hagen eine gute Zeit: im Heimatverein Hohenlimburg war eine Arbeitsgemeinschaft Naturschutz aktiv, in Hagen wurde 1981 eine Kreisgruppe des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschlands (BUND) mit einer Arbeitsgruppe Vogelschutz und 1982 der Hagener Stadtverband des Deutschen Bundes für Vogelschutz DBV (jetzt NABU) gegründet. Vogelschützerische Aktionen dieser Naturschutzverbände waren und sind Artenschutzmaßnahmen wie die Einrichtung und Betreuung von Nistkastenrevieren für Kleinvögel, die Montage von Falken- und Eulennistkästen, die Einrichtung von Uferschwalbennistwänden und die Schaffung von Eisvogelsteilwänden. Biotopschutzmaßnahmen durch Sicherung, Optimierung und Pfl ege von Betreuungsgebieten werden per Vertrag, Pacht oder Ankauf ermöglicht, das betrifft z. B. die Gebiete Eichelnbleck/Hackescheid, das NSG Lenneaue Berchum und das NSG Ruhraue Syburg. Hinzu kommt Öffentlichkeitsarbeit durch Beiträge in Tageszeitungen, dem "Cinclus" und in den Informationsheften "NABU-Info", in denen u. a. Vogelbeobachtungen in entsprechenden ornithologischen Sammelberichten (OSB) veröffentlicht werden. Letztendlich haben diese Vereine auch eine – wenn auch leider nur geringe – politische Einflussnahme in beratenden politischen Gremien.
Ziele der Avifauna HagenDiese Avifauna ist von ehrenamtlich arbeitenden Hagener Ornithologen erstellt worden, die sich in ihrer Freizeit für den Vogelschutz engagiert haben und in diesem Rahmen Vogelbeobachtungen zufällig oder auch systematisch betrieben haben. Alle Mitarbeiter dieses Buches sind z. T. schon seit vielen Jahrzehnten vogelkundlich in Hagen tätig, sie beobachten und kennen wie kaum jemand anderes die Situation der Vogelwelt in dieser Stadt. Ihre Absicht ist es, mit dieser "Avifauna" allen Interessierten in Bürgerschaft und Behörden Informationen über Vorkommen, Bestand und die Gefährdung derjenigen Vogelarten zu geben, die von 1997 bis 2008 in Hagen gebrütet haben. Dazu bleiben auch Beobachtungen aus angrenzenden Gemeinden nicht unberücksichtigt. In diesem Zusammenhang werden sensible und wertvolle Brutvogelgebiete sowie notwendige Maßnahmen zur Erhaltung dieser Vogelarten genannt, um so eine effektivere Naturschutzarbeit der Behörden und Vereine hinsichtlich Artenschutz und Lebensraumschutz zu fördern. Dabei wird der Stand der Brutvogelarten des Stadtgebietes Hagens sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht beschrieben: welche Arten haben im Zeitraum von 1997 bis 2008 gebrütet, wie groß ist ihr Bestand? Damit soll die Situation der Hagener Brutvögel für einen bestimmten Zeitraum beschrieben und festgehalten werden, um eine allgemeine Basis für die weitere ornithologische Arbeit in Hagen zu schaffen und eine Beurteilung von Entwicklungen und Situationen zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen.
Neben einer Sensibilisierung der fortgeschrittenen Vogelbeobachter, an offenen Fragen zu arbeiten, gezielt zu beobachten und zur Lösung von Fragestellungen beizutragen, erhoffen sich die Autoren auch eine Motivation der Bürger zur Beobachtung ihrer Vogelwelt und zur Weitergabe ihrer Beobachtungen in Hagen an die Naturschutzverbände BUND-Hagen, NABU oder des Vereins für Vogelschutz Herdecke und Hagen e.V.. Diese Avifauna soll die Vogelwelt unserer Stadt darstellen und der Öffentlichkeit nahe bringen. Was dieses Buch nicht leisten will: es soll kein Bestimmungsbuch sein. Für diesen Zweck gibt es genügend geeignete und sehr gute Produkte auf dem Büchermarkt.
Andreas Welzel